Oberschenkelhalsbruch – wie hast Du das angestellt?
Heute wird nicht lange um den heißen Brei geredet, sondern gleich das schlimme Wort OBERSCHENKELHALSBRUCH in die Überschrift gepackt. Ja, mich hat es wieder geerdet. Der andere Abflug ist noch kein Jahr her. Es gab Leute, die mich nur virtuell kennen, die meine mangelnde Knochendichte für die Brüche verantwortlich machten. Danke, aber ich kann alle beruhigen. Ich habe den extrem freundlichen Arzt, der mich wieder zusammengeflickt hat, genau zu diesem Thema befragt: Meine Knochen sind gut und stark, aber Beton war in beiden Fällen stärker!
Ich habe jetzt auch keine Angst davor, dass es in unschöner Regelmäßigkeit so weiter geht und ich im April 2019 wieder stürze. Schließlich habe ich die 55 Jahre vorher auch völlig bruchfrei gelebt. Bevor ich Dir erzähle, wie es passierte, verlinke ich die Story vom letzten August, als mein RADIUSKÖPFCHEN brach.
Am Samstag den 9. Juni hat es vormittags geregnet, man hörte es deutlich, denn wir schlafen in der ersten Etage, direkt unter dem Reetdach. Also schliefen wir lange und frühstückten spät (nach 12.00 Uhr) und ich hatte die Idee, abends in Husum ins Kino zu gehen. MARIA BY CALLAS wollten wir gucken. Meine Großmutter mochte die Stimme von Maria Callas, sie hatte viele Schallplatten und ich kam schon früh mit dieser Musik in Berührung. Dieser Dokumentarfilm erzählt das Leben der Callas in ihren eigenen Worten. Also sicher kein Mainstream-Kino, aber wie für mich gemacht.
Am frühen Nachmittag klarte der Himmel auf, ein leichter Wind ging und der Rasen trocknete schnell ab. Also Rasenmäher raus und noch fix die Rasensklavenarbeit erledigt. Mein Part ist es, die Schubkarre mit dem Grünschnitt gleich zur Biogasanlage unseres Nachbarn zu karren. Also schob ich los. Kam an frühen Heuballen vorbei, drehte eine Instastory, verstaute mein Handy wieder sicher in der Hose, rief den Kühen im Offenstall gegenüber zu, dass ich auf dem Rückweg bei ihnen vorbeikäme und schob weiter, bis zum Haufen Biomasse hinter der Anlage.
Plötzlich hatte ich auf dem Boden unter mir keinen Halt mehr, mein rechter Fuß rutschte blitzschnell nach vorne, ich ließ die Karrengriffe los und landete auf der Außenseite meines linken Oberschenkels und anschließend auf dem linken Ellenbogen.
Unter meinen Händen und meinem Körper fühlte ich eine dünne Schicht Pampe. Etwas Sickersaft aus dem organischen Haufen, etwas Regenwasser vom Vormittag und darüber eine Schicht Kalk. Im Kalk lag die Tücke: ich sah den Unterschied zwischen Beton und Kalkpfütze nicht, die Masse sah trocken aus. Als ich flinken Fußes auftrat, war es zu spät. Es war glatt wie auf einer Eisbahn und ehe ich reagieren konnte, lag ich schon.
Seitlich auf dem Rücken, der Kopf war dieses Mal nicht mit aufgeknallt. Ich legte ihn ab, immer rein in die Grütze. Schaute in den blauen Himmel und lauschte in meinen Körper. Irgendwas stimmte mit meinem linken Bein nicht. Es tat nicht wirklich weh, es war nur irgendwie wie abgestorben. Vorsichtig setzte ich mich wieder auf. Besah meinen linken Ellenbogen: Blut und Modder. Aber keinerlei Schmerzen im Inneren und keine Bewegungseinschränkungen.
Ich versuchte, mein Bein zu bewegen, anzuwinkeln und aufzusetzen. Das tat höllisch weh, Tränen traten mir in die Augen. Vor einiger Zeit hatte ich bei YouTube ein Video von 2 Sportskanonen gesehen, die bestimmt 20 verschiedene Versionen zeigten, mit nur einem Bein von der Erde aufzustehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon Probleme, mich aus der Rückenlage vom Boden zu erheben, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen. Es erstmal mit dem Vierfüßlerstand zu versuchen, war auch keine Option. Das linke Bein wollte einfach gar nicht mehr bewegt werden.
Das alles schoss durch mein Hirn und mir wurde klar, dass ich aus diesem Misere nicht ohne Hilfe herauskomme. Falls ich doch versuchen würde, auf die Beine zu kommen und es nicht schaffe, würde ich erneut schmerzhaft auf dem Beton landen. Ich zog mir meine Schuhe aus, fuhr mit den (völlig dreckigen) Händen hinein und bewegte mich Stück für Stück von der Betonplatte herunter in das Kiesbett vor der Biogasanlage. Da würde ich im Zweifel etwas weicher fallen.
Ich unternahm noch ein paar zögerliche Versuche, mich zu erheben, es scheiterte aber immer an starken Schmerzen. Mir fiel Bruce Willis ein, der langsam sterbend in diesem Zustand sicher noch die Welt gerettet hätte. Ich ließ mich in den Kies sinken und überlegte, wie ich meine eigene Rettung organisieren könnte. Mein unversehrtes Handy hatte noch stolze 10% Saft, aber kein Netz für WhatsApp.
Mütter helfen immer weiter
Ich rief meine Mutter an, sie blieb wie erwartet sachlich und unpanisch und versprach, es bei unserem Festnetzanschluss solange klingeln zu lassen, bis der Rasenmäher mal Pause macht, dass Klingeln gehört wird und jemand abhebt. Das hat erstaunlich gut geklappt und Hilfe kam, auch in Gestalt meines Nachbarn. Ein nordfriesischer Hüne, der sofort sein Auto holte, bereit, mich ins Husumer Krankenhaus zu fahren. Dann griff er von hinten unter meine Achseln und stellte mich auf das unverletzte Bein. Ich fühlte mich, ob seiner starken Arme, leicht wie eine Feder. Gestützt kamen wir bis zum Beifahrersitz, mein Po hockte drauf, aber es war nicht möglich, mein kaputtes Bein ins Auto zu kriegen. Beim Versuch mir zu helfen und es anzuheben, schrie ich wie am Spieß. Meine beiden Helfer erschraken sich sehr, so gaben sie auf und wählten den Notruf.
Der Rettungswagen war sehr rasch da, die beiden Rettungssanitäter kümmerten sich rührend um mich. Nur, als ich nach Wasser fragte, bekam ich zur Antwort, dass der Rettungswagen kein Kiosk sei 😉
Der Notarzt mit den Drogen gegen die Schmerzen und für einen glücklichen Abflug kam mit dem Hubschrauber aus Rendsburg. Mit ihm kam ein Polizeiauto – weil ein Hubschrauber ja nicht einfach so irgendwo landen darf. Die Polizisten schauten nur kurz vorbei, ließen sich die Situation erklären und fuhren gleich wieder ab. Als die feinen Mittelchen bei mir wirkten, konnte ich endlich flat gelagert werden und kam ins Klinikum in Husum.
SCREAM – Michael und Janet Jackson
Ich flog durch gleißendes Weiß, ich war schwerelos und glücklich und es gab Musik und einen schnellen Takt im Hintergrund. Vielleicht mein Herz? Das Blut in meinen Adern oder die Reifen auf der Straße? Ich träumte von der Landung in sowas wie einem Bällebad. Aber die Bälle waren lauter strahlend kleine weisse und weiche Würfel, die mich sehr fest umschlossen – als sei ich eingefroren, aber mir war nicht kalt. Mir war nur wahnsinnig wohl, nahezu phantastisch und ich hätte immer weiter so fliegen können…
Als ich wieder zu mir kam, fiel mir sofort das SCREAM Video von Janet und Michael Jackson ein. Früher hätte ich Dir das Video hier verlinkt, aber nach dem ganzen Theater mit Kennzeichnung, Fremdlinks und Datenschutz, bitte ich Dich, bei Interesse selber zu googeln. Du brauchst bloß meine Zwischenüberschrift kopieren 😉
Mein Retter aus dem Rettungswagen wollte den Arzt in der Notaufnahme davon überzeugen, mich und mein kaputtes Bein in der Vakuumliege zu belassen. Aber der kurze Weißkittel wusste es besser und so musste ich nochmal einen Höllenschmerz ertragen. Nachher bin ich wieder im Krankenhaus und bekomme meine gesammelten Daten, dann erfahre ich sicher auch den Namen des Arztes und wenn es mir wieder richtig gut geht, rede ich mal ein Wörtchen mit ihm oder schicke ihm wenigstens den Link zu meinem heutigen Artikel.
Der erfahrene Notfallsanitäter hatte nämlich schon die richtige Diagnose – Oberschenkelhalsbruch – gestellt, als er mein bewegungsunfähiges Bein und meinen Zustand sah. Aber darauf kann ja kein Arzt hören!!! Wenigstens hörte er auf den Retter-Rat zu meinen Gunsten, mir nochmals ein Schmerzmittel zu geben!
Dann ging alles ganz fix. Erst Blut abnehmen, dann zum Röntgen, schon kam der Anästhesist und klärte mich über die Narkose auf.
Kurz darauf stellte sich ein angenehm ruhiger und sehr freundlicher Arzt vor. Er würde mich operieren und er sprach mit mir ausführlich über Chancen und Risiken der Operation. Das war endlich ein Gespräch auf Augenhöhe und trotz meines jämmerlichen Zustands schöpfte ich Vertrauen und Hoffnung und ich hatte sofort das Gefühl, dass ich bei ihm in den besten Händen bin. Er sagte zu mir, dass ich für eine künstliche Hüfte noch viel zu jung sei. Damit hatte er mich vollends 😉
Zum Glück durfte ich bis zur OP auf der Röntgenliege bleiben bis ich über das Rollbrett auf den Operationstisch kam. Aber da war ich schon wieder in einem anderen Film…
…von dem erzähle ich das nächste Mal!