Licht und Schatten in Hamburg
In meinem Beitrag mit dem leuchtenden Pullover von Christian Lacroix habe ich dir auch von dem Schrecken erzählt, mit dem ich gerade so davon kam. Ich war daran selbst schuld mit meiner Unsichtbarkeit als Fußgänger im Eppendorfer Nebenstraßenverkehr.
Genau an dieser Stelle erzähle ich jetzt weiter, denn ich habe aus diesem Erlebnis sofort meine Konsequenzen gezogen. Solange es auf meinem Heimweg noch so dunkel ist, darf ich meinen großen schwarzen und gemütlichen Parka mit dem kuschligen Teddyfell nicht mehr tragen. Ich brauche helle Kleidung für obendrüber!
Mein neuer Job hat viele positive Seiten und auch eine richtig schlimme negative. Ein Vorteil ist zum Beispiel, dass die Signaturfarbe der Firma orange ist. Ich liebe orange und bin damit perfekt aufgestellt.
- Schuhe
- Gürtel
- Tücher
- Pullover
- Westen (wieso habe ich die eigentlich noch nie verbloggt?)
- Taschen
- Armreifen
- sogar mein bester Freund trägt orange
Meine Überlegung war also, mir eine orange Jacke zu kaufen. Auch, wenn in meinem Kopf noch die Assoziationen Tankwart (Minol Tankstelle in der DDR) oder Straßenkehrer (BSR – die Straßenfeger Berlins) herumgeistern.
Aber ich bin ja schließlich in Hamburg. Da kennt man weder das eine noch das andere.
Nun zu dem ganz großen Nachteil meiner Arbeitsstelle. Es ist eigentlich eher ein Nachteil des Arbeitsweges. Auf meiner abendlichen Strecke zum Bahnhof Kellinghusenstraße komme ich an einem TK MAXX vorbei.
Das ist fatal! Besonders für mich als Marken-Junkie. Schon an dem Tag, als ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, besuchte ich auf dem Rückweg gleich mal den Store, um mir einen Überblick über das Sortiment zu verschaffen. Ich probierte ein paar Oberteile von Margiela, Lagerfeld und Armani an, kam aber noch vor der Kasse zur Vernunft. Ich kaufte nur etwas Kleidung für meine Baby-Nichte und eine rote Umschwebe für mich und meinen neuen Job. Schließlich war das noch vor Weihnachten und ich würde bald wieder regelmäßig mein Taschengeld verdienen.
Die erste Gehaltszahlung ist bereits eingegangenen, was lag jetzt also näher, als nach dem Schock im Dunklen sofort im hellen TK MAXX einzukehren. Aber nur ganz gezielt, um mein Jackenlager mit einem hellen Wintermodell aufzustocken.
Etwas in orange war leider nicht im Angebot. In gelb gab es eine Damenjacke von MK. Danke nein, MK bitte nicht für mich! Da reichen mir meine Erfahrung mit dem langen dunkelblauen Daunenmantel, den ich mir für die zweite Sibirien Tour nach Ufa kaufte. Als ich den Mantel danach auch einmal in meinem Auto trug, sahen die Sitze danach wie geteert und gefedert aus. Die feinen Daunen widerstanden jeder Fusselrolle und hakten sich im Textil ordentlich fest. Da bin ich auch selber schuld, warum leiste ich mir keine Ledersitze? Der MK Mantel liegt jetzt ungenutzt und als Wurst zusammengerollt im Schrank und wartet auf die nächste Verbannung in den Permafrost.
Zurück in den gut geheizten Store! Nach den Stangen mit Mänteln und Daunenjacken schlenderte ich in Richtung Sportabteilung und sah meine Jacke schon von weitem. Strahlend weiß hob sie sich zwischen lauter tristen Gestalten ab.
Im Kopf ging ich mein Pflichtenheft durch:
- Sichtbarkeit – check
- Futter – check
- Wind- und Regentauglichkeit – check
- Größe – check
- Ärmellänge – check (Stulpen mit Daumenlöchern sind eingebaut)
- Waschmaschinentauglichkeit – check
- Marke – check
- Preis – check
- Kauffreude – check (reduziert von 189 € auf 29,99 €).
Aber weiß? Tja, warum nicht! Selbst wenn da nach einer Saison der Dreck an den Ärmelfalten nicht mehr auswaschbar sein sollte, kann mir das egal sein. Dann leiste ich mir eben eine neue Jacke. Ganz im Sinne der verdorbenen Wegwerfgesellschaft.
Kragenspeck ist nicht so schnell zu befürchten, weil der Kragen innen teilweise aus schwarzem Fleece ist und ich im Winter sowieso immer Halslappen trage. Heute einen von CJ Schmidt in Husum.
Und wieso Ärmelfaltendreck? Habe ich etwa vor, mich an Hamburger Hauswänden entlang zu drücken? Nein! Der Grund ist ganz einfach: Es in der Hamburger Hochbahn abends immer sehr kuschelig. Die Hamburger suchen Körperkontakt zu mir und meiner weißen Jacke. Ich kann mich über diese für mich ganz und gar unhanseatische Eigenschaft zwar wundern, aber ich kann mich kaum dagegen wehren. Ich hatte nach 20 Jahren Fußweg, Radweg oder einer kurze Fahrt mit dem Lift ins Büro schon fast vergessen, wie nervig der öffentliche Personennahverkehr sein kann. Aber da muss ich durch – ich habe das so gewollt! Heulen hilft nichts.
Also trage ich freudig mein (jetzt schon nicht mehr ganz) strahlend weißes Alleinstellungsmerkmal. Außer mir läuft hier keiner so herum. Wer will in Hamburg schon wie ein verirrter Ski-Hase aussehen? Ich trage das ganze Jahr über weiße Kleidung. Im Schrank hängen zum Beispiel (neben weißen Blusen, Hosen, Kleidern und Röcken) ein weißer Sommer Parka, eine weiße Jeansjacke und eine weiße Weste (kein Scherz – ab und zu muss man sie ja mal zeigen).
Und jetzt eben noch diese weißer Winterware. Ja, es ist nur eine praktische Plastikjacke. Weiß, hässlich, passt zu nichts, aber sie kann mir das Leben retten. Die Idee ist nicht so neu – sogar Karl Lagerfeld ist mit seinem Spruch nah bei mir.
Für mehr Sicherheit im Strassenverkehr
Vor 10 Jahren gab es in Frankreich eine Werbung mit Kalle. Es ging um die Warnwesten, die man auch in Frankreich in jedem Auto mitführen muss.
Es ist gelb, es ist häßlich, es passt zu nichts, aber kann das Leben retten.
Als ich noch durch Berlin radelte, trug ich im Winter manchmal so eine Weste (in der Version neon-orange) über meiner Jacke. Das bringe ich in Hamburg einfach nicht 😉 obwohl ich diese „Mode“ auch immer häufiger sehe.
Ich bin jetzt auf jeden Fall schön sichtbar und werde ganz nebenbei für sportlich gehalten. #allesrichtiggemacht
Am Wochenende in Nordfriesland hatte ich beide Jacken im Gepäck. Den fast unsichtbaren Parker habe ich dort gelassen und meine neue auffällige weiße Ware hatte schon die erste Runde in der Waschmaschine nötig.