AUS MEINEM Ü 50 KLEIDERSCHRANK

Ich bin lang – 1,84 cm. Ein Vorteil bei  Konzertbesuchen. Ich habe auch schöne lange Beine. Kein Vorteil in Flugzeugen. Und ich habe richtig lange Arme. Ein Vorteil in Läden aller Art, keine hohe Kante ist vor mir sicher. Allerdings sind meine Arme so unvorstellbar lang, dass die Hersteller von Damenoberbekleidung es kaum glauben können und deshalb an viele meiner Kleidungsstücke zu kurze Ärmel nähen. Ich kaufe die Sachen trotzdem, ich bin ja nicht so.

In den warmen Jahreszeiten stört es mich kaum und für den Winter habe ich Abhilfe geschaffen in Form von Pulswärmern. Wenn der Sommer geht und mir die erste Kälte in meine Jackenärmel kriecht, kommen meine Seidenstulpen aus dem da sempre Shop von Sieglinde zum Einsatz.
Wird es richtig Herbst, habe ich auch welche in einer höheren Preisklasse von Hermès. Sehr chic mit dem typischen Kelly-Schloß, das allerdings auch recht nervig klappert. Und wenn es kältemäßig noch dicker kommt, habe ich auch ein paar fellige Pulswärmer, die an ein paar Jacken und Mänteln auch gleich die entscheidenden Zentimeter mehr Länge geben. Das sind sicher die teuersten Stücke in meiner Sammlung, aber nicht die Wertvollsten.

WERTVOLLE WOLLE AUS DER DDR

Lange bevor ich wusste, was ein Loop ist, hatte ich schon einen, er hiess nur noch nicht so. Ich ging zur Uni, also muss es 1986 oder 1987 gewesen sein – jedenfalls irgendwann in grauen Vorwendezeiten. Da hatte ich eine Idee und bat meine Großmutter (Jahrgang 1905 und seit 1993 nur noch in einer anderen Dimension bei mir) für mich ein winterfestes Set zu stricken. Eine Mütze, einen breiten oder langen Rollkragen und ein paar Pulswärmer. Einfach glatt gestrickt, keine Muster, keine Schnörkel. Echt zeitlose Modelle bitte. Sie fragte nach meinem Farbwunsch, ich entscheid mich für dunkelblau. Die Farbe liebe ich ja nicht erst, seitdem ich blogge 🙂

Im Weihnachtspäckchen mit den Dresdener Christstollen, die meine Großeltern für die ganze Sippe selbst buken, fand ich dann dieses Set, dass ich noch immer trage, in Ehren halte und das für mich ein unwiederbringliches Geschenk ist. Steckt doch die Arbeit und die Liebe meiner Großmutter darin.

UNWIEDERBRINGLICHER LUXUS

Natürlich ging im Laufe der vielen Jahre auch mal etwas schief, das ist doch normal – bei mir jedenfalls und vorzugsweise passiert das immer bei den richtig raren oder wertvollen Sachen. Meiner ersten „Westplatte“  – also eine Ariola LP, die ich 1976 auf wundersamen Wegen bekam – verpasste ich gleich am ersten Tag, beim ersten Hören mit der Plattenspielernadel so einen tiefen Kratzer (B-Seite erstes Lied), dass ich den Titel erst nach der Wende ganz und fehlerlos hören konnte, als ich mir ein Back-Up der Scheibe zulegte.

Und so begab es sich, dass die Mütze aus meinem Winter-Set in einer zu heissen Waschlauge landete, seitdem ist sie eigentlich zu klein für meine Omme und auch ein bischen verflizt. Die liegt also inzwischen mehr im Schrank, als dass ich sie trage.

Aber irgendwann werden auch mal wieder solche kleinen engen Mützen modern! Dann bin ich vorbereitet. Der Loop-Schal-Kragen leistet mir dagegen seit Jahrzehnten gute Dienste und seit in den 2000er Jahren die Mützenmode lockerer wurde, trage ich ihn auch einfach als wärmenden Schlauch auf dem Kopf, habe ein Ende aber auch schon mit einem Band verschlossen, dann sieht es komplett nach Mütze aus. Die gerade schwer angesagte gerollte Kante hat sie eh schon – seit Jahrzehnten wohlgemerkt!

Die Pulswärmer sind zwei links / zwei rechts gestrickt und schmiegen sich dadurch elastisch wie am ersten Tag an meine Handgelenke. Sie sind eine wunderbare Ergänzung zu meinem Muff, den ich dann auch endlich mal zeigen kann, wenn hier der Schnee oder wenigstens etwas Frost ankommt.

Für mich ist es Luxus, solche Dinge zu besitzen, zu bewahren und auch zu benutzen. Ich kann kaum noch zählen, wie oft ich seit Ende des Studiums umgezogen bin – und immer kamen diese Stricksachen mit mir mit. Ich bin froh, dass ich nicht Aussortieren muss oder diesem neuen Minimalismus-Trend hinterherrenne.

In den 4 Wochen auf Sylt habe ich den Halswärmer und die Teile für die Pülse oft getragen und natürlich denke ich auch jedes Mal beim Anziehen mit Freude und auch mit Trauer an meine geliebte Großmutter und bin sehr froh, dass ich noch sehr viele Dinge von ihr besitze, die für andere „alter Krempel“ wären, aber für mich die Erinnerung an sie lebendig halten.