Ich war 14 Jahre alt und gleich 12 mal hintereinander im Kino. Immer in ein und demselben Film: ZORRO mit Alain Delon. Ich glaube, ich war in ihn verliebt. Als ich im „Filmspiegel“ etwas über ihn las, begegnete mir zum ersten Mal der Name Romy Schneider.
Ich kannte sie nicht. Ganz und gar nicht, denn die Weihnachtsfeiertage im Nordosten der DDR waren nämlich glücklicherweise 100% sissifrei und so war mein erster Romy Film „Das Mädchen und der Kommissar“ und viele folgten nach. „Nachtblende“ mit dem verrückten Kinski zum Beispiel und „Swimmingpool“ mit Alain Delon. Und immer wieder die Filme mit Michel Piccoli, der für mich irgendwie zu ihr gehörte.

Ich sog die Szenen in Pariser Strassen und Cafés förmlich auf und träumte meinen Traum, auch einmal in dieser meiner ach so fernen Traumstadt in so einem Café zu sitzen. Ja, vielleicht erst mit 60, wenn ich als Rentnerin die Mauer durchreisen dürfte…dass sie bald ganz aus meinem Leben verschwinden würde, war ja in den frühen 80er Jahren für mich noch nicht zu ahnen.

Sehr berührt hat mich auch der Film LE TRAIN mit Romy und Jean Louis Trintignant, auf den ich jetzt nicht näher eingehen möchte. Bei dem Schlußlied des Films kommen mir noch immer die Tränen, dabei habe ich es schon so oft gehört, denn es ist eines der Chansons, mit denen ich die französische Sprache erlernte.
Aber zurück zu Romy:  Ich mochte Ihre Art zu spielen, ihre Direktheit, mit der sie die Rollen ausfüllte und ich ahnte nichts von ihren Kämpfen und ihrer Zerrissenheit, da ich ohne Yellow-Press und West TV keinen Zugang zu diesen Informationen hatte. Ich bewunderte einfach ihre Schauspielkunst und ihre Schönheit. Schönheit liegt im Auge des Betrachters und in meinen Augen gehört Romy Schneider zu den schönsten Frauen, die ich kenne.

Ob in den 50ern in Chanel oder und in den 60ern im Bikini oder in den 70ern auf der Stern Titelseite „Wir haben abgetrieben“ oder auf den letzten Fotos aus den 80ern. Auch mich erschütterte das Drama ihres frühen Todes und die nicht ganz geklärten Umstände sehr.

Die Spaziergängerin von Sans-Souci

Bevor sie starb drehte sie noch diesen einen Film der mich am meisten berührt hat, weil er mit der deutschen Vergangenheit zu tun hat und mit Orten, zu denen ich mich träumte – PARIS und in denen ich inzwischen lebte – BERLIN. Und weil er für Romy so schwer zu spielen war, denn die Rolle des Jungen Max sollte wohl eigentlich mit ihrem Sohn David besetzt werden. Nach seinem tragischen Unfalltod in Paris musste eine neue Besetzung für diese Rolle gefunden werden und die Filmwelt konnte im Kino zusehen, wie sehr der Schauspielerin die Szenen mit dem Kind zu Herzen gehen.
Der Film, in dem Romy eine Rolle im Paris der Gegenwart und eine zweite in Berlin und Paris in den 30er Jahren spielt, wird von der Kritik als der Höhepunkt ihrer künstlerischen Karriere beschrieben. Das kann ich nicht beurteilen, wir alle wissen nur mit Sicherheit, dass es ihre intensivste und vor allem letzte Rolle war, denn sie starb 1982, noch bevor sie den Film – eine deutsch/französische Koproduktion – synchronisieren konnte. 
Michel Piccoli ist auch dieses Mal der Filmpartner an ihrer Seite und dieses eingespielte Paar überzeugt in der Liebesgeschichte der Gegenwart.
Inhalt:
Max Baumstein (Michel Piccoli) erschiesst den deutschen Botschafter in Paraguay, der sich gerade in Paris aufhält.
Baumstein ist Vorsitzender einer Hilfsorganisation und Waise. Seine jüdischen Eltern sind 1933 vor seinen Augen in Berlin erschossen worden und ihm wurde ein Bein so zertrümmerte, dass er zeitlebens gehbehindert ist. 

Im zweiten Handlungsstrang erzählt der erwachsene Max von seinem Leben im Deutschland  der Nazis und von der Flucht nach Paris und er offenbart die Hintergründe seiner Tat. Im Film gibt es immer wieder Rückblenden nach Berlin und Paris. Der kleine 12 jährige Max kommt zu den Pflegeeltern Elsa und Michel Wiener (Romy Schneider und Helmut Griem). Elsa nimmt den Jungen mit nach Paris, ihr Mann will ihnen später folgen, wird aber im Dritten Reich verhaftet, weil er einen linken Verlag betreibt und muss in ein Konzentrationslager.

Von Paris aus kann Elsa Wiener Einfluss auf einen ranghohen Nationalsozialisten nehmen und mit den Mitteln einer Frau erreicht sie, dass Michel freigelassen wird und nach Paris kommt. Doch schon kurz nach der Ankunft werden die beiden durch diesen Mitarbeiter der Deutschen Botschaft – den späteren deutschen Botschafter in Paraguay – erschossen. Max Baumstein erkennt diesen Verbrecher nach Jahrzehnten wieder und erschiesst ihn während eines Interviews.

Der Film endet tragisch, denn auch das Paar der Gegenwart wird kurze Zeit nach dem Prozeß um den Mord von einem Unbekannten erschossen.
Der Film ist ein Krimi, ein Politthriller und beinhaltet gleich zwei tragische Liebesgeschichten. Manchem Kritiker scheinen sowohl die Romanvorlage von Joseph Kessel, als auch das Drehbuch von Jaques Kirsner zu konstruiert.
Ich denke, dass es zu Beginn der Naziherrschaft viele ähnliche Schicksale gab und ich kann verstehen, dass ein Mann nach solchen schweren Erlebnissen in seiner frühen Jugend zu so einem zweifelhaften  Mittel wie der Selbstjustiz greift, um sich zu rächen.
Romy Schneider – als seine Frau –  erfährt erst während der Gerichtsverhandlung diese Details aus der Vergangenheit ihres Mannes und sowohl sie und auch der Zuschauer sind erschüttert von der Willkür und der Brutalität, deren die jüdischen Menschen in der noch recht nahen Vergangenheit unseren Landes ausgesetzt waren.
Im Vorfeld dieses Artikels habe ich mir den Film noch einmal  angesehen. Ich wollte wissen, ob er in mir noch immer dieselben Gefühle weckt wie damals, als ich ihn zu erstmal Mal sah. Und ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass der Film aktueller denn je ist. Leider gibt es in unserer Gegenwart auch wieder ähnliche Tendenzen. Immer mehr Menschen, die nicht den „richtigen“ Glauben haben, können nicht angstfrei und bedenkenlos in diesem Land leben. 
Ich bin noch immer sehr berührt von diesem Film und mir kamen die Tränen, als ich das Ende sah und denke wieder an die treffenden Bezüge zur heutigen Zeit.
Romy Scheider und Michel Piccoli erlebten nicht mehr wie aus dem Jungen, der Max als Kind spielte, ein angesehener Mathematiker wurde. 
Wer den Film nicht kennt oder lange nicht mehr gesehen hat, dem möchte ich empfehlen, ihn anzuschauen und sich von ihm einfangen zu lassen, es lohnt sich sehr! 

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DER TEXT – ist in leicht gekürzter Fassung im aktuellen LEBENLANG Magazin zu finden. Auch 2 weitere Bloggerinnen  aus unserem Ü30 Forum stellen dort ihre Lieblingsfilme vor: Sabine Gimm und Petra Drißen

DIE FOTOS – sind – wie unschwer zu erkennen .- vom Juli 2016 aus Paris. Und auch wenn Frau Meyrose und Herr Kaiser jetzt fast einen Herzkasper bekommen – ja, ich trage zu der Birkin und dem Longchamp Oberteil eine Leggings und Deichmann Schlappen. Warum? Weil Beine, Bauch und Po es mir (noch) erlauben!