Es war einmal

ein schöner Einstieg – der funktioniert immer, wenn einem sonst nix anderes einfällt. Aber das heute wird kein Märchen, sondern ein wahre Begebenheit.

Also nochmal:
 
Es war einmal eine Ü50 Bloggerin, die hatte eine Lieblingssjeans, die trug sie ganz regelmäßig ins Büro und wusch sie auch ebenso regelmäßig und merkte dabei nicht wirklich, dass der Stoff verschliss.
Eines schönes Tages, als sie an der Tanke schwungvoll aus dem Auto stieg, gab es ein unschönes Geräusch und an der Stelle, an der der linke Sitzhöcker das Material zermürbt hatte, entstand ein gewaltiger Frischlufteinlass.

 hellblau, keine Röhre, 36er Länge und mit von ESPRIT
Guckt Euch die Outfits anderer Blogger an – seit Jahrzehnten haben Jeans ausgefranste Löcher und nie waren diese Lufteinlässe so populär wie heute. Selbst schrumpelige Kniefalten (nein, ich setze den Link nicht, ich bleibe brav auf meinen Fingern sitzen) sind salonfähig und angeblich sogar bürotauglich geworden – denn wenn schon CUT, dann bitte vorne in der Mitte und nicht unter dem Allerwertesten.
Da liegt sie nun und ich konnte mich erst gar nicht von meinem Beinkleid trennen, im Sommer an der See trage ich die Hose sicher wieder und vielleicht nähe ich einfach etwas Schlüpferstoff unter den Riss.

Jedenfalls musste nun ganz fix eine neue Hose her. Bei mir ist das nicht das einfachste Unternehmen, denn 36er Beinlängen sind nicht so leicht zu finden. ESPRIT hat zwar eine neue Spalte für lange Frauenbeine, aber mit denen bin ich erstmal fertig.
Sunny gab im Ü30 Blogger Forum den Tipp, bei S.Oliver zu schauen, dort hätten auch große Damen eine Chance. Ein Blick auf die Homepage – schnell waren 8 Hosen im Warenkorb, 4 flogen genauso schnell wieder heraus und 4 ließ ich mir mal kommen.
Die Anprobe erfolgte zwischen zwei Spiegeln, denn die Rückansicht zeigt ja bei Jeans mitunter sehr kaufentscheidende Argumente! Ein dunkelblaues Model ohne Auswaschungen (die kommen ja früher oder später von alleine) und ohne kaputte Stellen (das kann ich auch alleine) und mit reichlich Schlag durfte bleiben.
Natürlich trug ich sie auch gleich an dem Wochenende, als ich in der Stadt unterwegs war. Zu Fuß, mit viel touristenbegleitender Rennerei durch Berlins schönste Mitte.
Und die Jypsiere durfte mit, weil sie derzeit einfach das schönste Fotomodel in meiner Taschen-Model-Kartei ist. Die werdet Ihr wohl noch öfter zu sehen bekommen, denn auf keine Tasche habe ich so lange gewartet, wie auf diesen lustigen Zigeuner.
 Jypsie – über den Dächern von Paris
Und so begab es sich wenig märchenhaft, dass ich die Hose in die Waschmaschine stopfte und die Jypsie wieder in den Schrank einquartieren wollte und da sah ich es:

JEANSABRIEB

Die fröhlich bunte Tasche aus dem weichen Jungstierleder mit dem schönen Namen Taurillon-Clemence hatte auf der Rückseite einen unschönen bläulichen Schleier. Und noch dazu einen deutlichen blauen Streifen auf dem Bougainvillier, genau an der Stelle, an der im Tascheninneren die Naht zur Unterteilung der Einsteckfächer verläuft. In den Kommentaren zu meinem letzten Berlin-Beitrag hatten Beate und Anett das Drama ja schon vermutet.

Irgendwie sah es auf der Tasche schlimmer aus, als jetzt auf den Fotos und auf kleinen Bildern sieht man es fast besser,
als auf großen. Meine Bilder sind aber wie immer klickbar zur Vergrößerung!

KEINE PANIK AUF DER TITANIC

Es gibt bei Hermès in Paris die Möglichkeit, jede Tasche von den professionellen Lederpassionisten aufarbeiten zu lassen. Dabei wird wie Tasche von aussen wieder wie neu. Gegebenenfalls wird etwas nachgenäht, die Ecken werden mit Lederfarbe ausgebessert, wenn sie nach ein paar Jahren abgeschrammelt sind. Auf Wunsch wird auch die Hardware poliert oder sogar gewechselt. Das kostet dann mitunter extra.
Dieses ganze Prozedere ist aber bei einer fast neuen Tasche noch gar nicht nötig. Meine Jypsie trägt ein Q Stamping, als Hinweis auf ihr Geburtsjahr 2013. Gegen so ein bißchen Jeansfarbe ziehe ich selbst ins Feld. Da bin ich mutig genug, Hand anzulegen, möchte hier aber eines ganz ausdrücklich betonen:

BITTE NICHT NACHMACHEN

Ich schildere Euch lediglich meine Erfahrungen. Kein Taschen-Hersteller wird Euch zu einem solchem Vorgehen ermutigen. Ist ein bißchen wie der Spruch in der Milchtankstelle:

Die Rohmilch ist vor dem Genuss abzukochen!

Schöner Witz, dann ist es ja kein Genuss mehr und ich kann gleich die homogenisierte Plörre aus dem Supermarktregal kaufen. Sorry – ich schweife ab. Zurück zum Taschenthema:
Wie auch zur Reinigung meiner Gesichtshaut (obwohl diese nur höchst selten mit den Folgen von Jeansabrieb zu kämpfen hat, die Oberschenkel haben da in ihrem Leben schon ganz andere Erfahrungen gesammelt) habe ich ein Wattepad mit meinem Lieblings- und Zauberwasser von BIODERMA getränkt und damit die blaue Farbe vom Leder geholt. Ein paar Male in alle Richtungen (das Leder ist ordentlich grobporig) gründlich und mit sanftem Druck darübergewischt und so das Blau von der Tasche auf die Watte befördert.
Der Druck ist vergleichbar mit der Stärke, mit der ich auch mein Gesicht bearbeite, wenn ich die Furchen um die Nase herum abends reinige.
Wie gesagt, es ist immer ein Risiko, es selbst zu versuchen. Ich empfehle auch keinesfalls für solche Aktionen ein x-beliebiges Gesichtswasser – womöglich noch mit Alkohol oder anderen Lösungsmitteln – zu verwenden.

Ich habe schon einmal erwähnt, dass ich die Kleingeldfächer in den Börsen, die ja durch die dreckigen Münzen recht fix schrammelig werden, auch mit einem BIODERMA getränkten Wattepad auswische und so jeden Fleck wegbekomme. Auch das beschichtete Canvas von Vuitton, MCM oder GOYARD

 Gerade mit den GRAFFITI Sachen von Louis Vuitton gehe ich sehr sorgsam um, da sich die aufgedruckte Farbe sonst leicht verabschieden könnte.

verträgt das natürlich. Obwohl ich diese relativ unempfindlichen Oberflächen viel sparsamer mit Leitungswasser reinige. Also mit einem ganz kleinen Schluck Leitungswasser, verteilt auf ein weiches Microfasertuch, bis es den Zustand „nebelfeucht“ erreicht hat. Also nass machen, mehrfach gründlich auswringen und kräftig ausschütteln. Fliegen keine Tropfen mehr raus, gehe ich damit an die Taschen, Börsen und Kleinteile. Übrigens auch an CUIR EPI von LV oder CUIR EPSOM von H.

Spare dabei aber sorgfältigst alle VVN Lederbesätze aus. Obwohl diese einen kleinen Wisch durchaus vertrügen, denn sie werden von mir regelmäßig (meist zum Frühjahrsputz) mit spezieller Lederpflege behandelt. Und damit meine ich niemals Nano-Spray sondern schwöre auf traditionelle Methoden. Das würde aber heute zu weit führen, vielleicht mache ich dazu mal einen gesonderten Beitrag oder sogar ein Video, sollte das von Interesse sein. Für heute mache ich erstmal Schluss und laufe zum See – zeige Euch aber vorher noch die Rückseite der wieder makellosen Jypsie:

…und die Farbe meiner Jogginghose 😉