2004 war ich das erste Mal in diesem Hotel Mercure und hatte es seit dem in wirklich guter Erinnerung. Nein, es ist natürlich keine de luxe Herberge, aber es gab dort immer freundlichen Service, ordentliche Zimmer und ein anständiges Restaurant in der 26. Etage mit kleiner Karte und frischer Küche und mit geduldigem und bemühten Personal der alten Schule. Die Bestuhlung ist etwas verwinkelt, das hatte aber den Vorteil, dass man nicht wie auf dem Präsentierteller saß und der Blick über die Stadt ist sowieso unbezahlbar.

Wir waren immer mal wieder gern hier zu Gast: September 2006, Frühling 2008, Januar 2009, März 2010 – und nun kam ich am letzten Wochenende wieder in Chemnitz an und erlebte einen ziemlich rasanten Abstieg.

Gleich am CheckIn die erste Pleite in Form ziemlich rüder Anmache, was das Ausfüllen des Hotelfragebogens anging. Dienst tat ein junges blondes Mädchen mit rollendem R, bei dem ich nicht wusste, ob ihre seltsam schnippische Art extra antrainiert war oder in ihrer Unsicherheit wurzelte. Außerdem dachte ich, daß ich nur wieder extrem empfindlich sei, aber eine einen Tag später anreisende Bekannte, die eher hart im Nehmen ist, geriet auch gleich mit der Dame aneinander und da wusste ich, dass es nicht nur an mir lag .

Bei weiteren Fragen kontaktierte ich dann lieber die älteren Angestellten, die können mit Ü50 Wünschen etwas besser umgehen. Allerdings auch durchaus „landestypisch“, wie ich gleich erzähle.

Die Zimmer sind bekannt für ihre Enge und Zweckmäßigkeit. Es reicht mir so, sonst hätte ich dort nicht gebucht, nur die 4 angetackerten Bügel reichten mir eher nicht. Egal ob DZ oder EZ, irgendwer hat bestimmt, daß 4 Bügel genug sind. Also tätigte ich einen Anruf bei der Rezeption. Solche Kapitalistenrelikte wie Housekeeping, Gepäckpagen, Parkservice oder gar einen Conciere gibt es in der ehemaligen Bezirkshauptstadt natürlich bis heute noch nicht.

„Guten Tag, mein Name ist uefuffzich aus dem Zimmer 2207 –  wäre es bitte möglich noch 4 Kleiderbügel zu bekommen?“
„Das weeßschichnich, da mussisch erschtmol nochguggen…“ schallte es forsch aus dem Hörer. Ich wollte die Aktion schon als erledigt abbuchen, doch oh Wunder, 5 Minuten später waren die Bügel da. DANKE

Das Restaurant ist inzwischen geschlossen, nur Frühstück wird dort oben noch serviert, ansonsten gibt es sonntags einen „Towerbrunch“. Den durfte ich miterleben, der wird sehr stark frequentiert, die Generation Silberlocke Ü70 reiste in hellen Scharen an.

Leider ist das Servicepersonal schon zum Frühstück überfordert, wenn aus einer Suite mal eine „Frühstück auf’s Zimmer“  Bestellung kommt, wird unter den Kollegen erst über Möglich- oder Unmöglichkeiten des Schlafzyklus‘ des Suitenbewohners diskutiert. Natürlich mit Klarnamen und so laut, daß ich – als Gast am Frühstücksbuffet – viel mehr erfahre, als ich wissen will. Ich murmelte kurz: „Seien Sie doch lieber froh, dass ein Star da ist, denn ohne solche Veranstaltungen wäre das Haus doch ganz am Boden und Ihr Job auch noch flöten.“  Ja OK – es kam eine gemurmelte Entschludigung.

Es wird neuerdings dort echt an allen Enden gespart: die Minibar ist ein leeres Trauerspiel. (das Foto müßte ich nachliefern, aber so spektakulär ist ein kleiner grauer leerer Kühlschrank ja auch nicht). Die Zimmerfrauen kommen nur auf Anforderung, also man wird angerufen und gefragt, ob eine Reinigung heute nötig sei. Beim Abwasch des arg zusammengewürfelten Porzellans spart man wohl am Spülmittel oder wieso hatte mein
Milchkännchen ein Dreckrand der Vorvorgäste? Ja, auch das Foto ist gemacht 🙂

Die Toillettentüren in der Zwischen-Etage sind zugesperrt, als Hotelgast hat man die Möglichkeit, über einen Durchgang in die Stadthalle zu gelangen, dafür muss man allerdings an jeder Tür mit dem Sicherheitspersonal diskutieren, an dem wird in Chemnitz ja nie gespart. Also man kann in der Veranstaltungspause nicht mal schnell auf das Hotelklo flitzen, sondern stellt sich brav mit überkreuzten Beinen in die Wartegemeinschaft der Stadthalle oder verzichtet auf einen Drink und den Plausch mit alten Freunden und schafft es bis auf’s eigene Hotelzimmer.

Und sonst? Keine Lichtblicke? Doch, die Betten sind groß, weich, sauber und bequem und ich wollte kaum hinaus und ließ mich zu dem noch werbewirksam darin fotografieren, damit ich meinem ersten „Unterwegs“-Posting einen zugkräftigen Titel verpassen kann. Meine Fingerfarbe ist nämlich dieses Mal von einer anderen Firma, damit sie zum nagelneuen reisebegleitenden Gefährt passt.

MANHATTAN LOTUS EFFECT

Und einen Lichtblick gab es noch, einen Mitarbeiter, der schon ewig dort ist, seine Gäste mit Zurückhaltung und Sympathie betreut. Die Servietten und Höflichkeitsfloskeln nie vergißt, im Stress den Überblick und sein Lächeln behält und daß,  obwohl er in voller Bar ganz alleine für die Getränke und die Speisen und deren Zubereitung verantwortlich ist. Unglaublich, was Herr Sch. leistet und meine Mitreisenden und ich hoffen, daß die Sparchefs des Hotels wissen, was sie an diesem Fels in der Brandung haben. Zweimal suchten wir die Bar schon vor seinem Dienstbeginn auf und sahen uns den permanent gestresst und mißmutig wirkenden Angestellten aus Etage 26 gegenüber, die versuchten, die Sachen irgendwie „zu erledigen“ mehr aber nicht. Der Unterschied war so augenscheinlich, dass ich an dieser Stelle einfach mal den anderen Mitarbeiter empfehle, dem freundlichen Kollegen Sch. bei seiner Arbeit zuzusehen und dann zu versuchen, es ihm nachzumachen. Einfacher geht es nämlich nicht.