Ein Taschenmädel aus unserem Forum war letztes Jahr mit Mann, Töchtern und Hund in den Ferien in Berlin. Sie hatten einen Reiseführer dabei und erzählten mir von einem berühmten Dönerladen, der darin gelistet sei. Naja, ich kannte den nicht und hörte nur mit einem halben Ohr hin. Döner gab es bei mir nur noch im Notfall, da in Marienfelde keine anständigen zu bekommen sind. Aus meiner längst verflossenen WG Zeit (diese endete schon im vergangenen Jahrtausend) habe ich meinen Lieblingsdönerladen in Moabit, den ich aber aufgrund der Entfernung zu meinem derzeitigen Jagdrevier nur noch ganz selten besuche. Außerdem ließ bei mir mit den Jahren auch der Hang zum stehenden „Draußen aus der Hand Essen“ deutlich nach.
Eines schönen Tages zog meine kleine Schwester mit ihrem Schatz nach Berlin, um einem weiteren Schatz das Leben, der Stadt einen kleinen Berliner und mir einen süßen Neffen zu schenken. Kaum, daß sie 4 Wochen hier wohnte, erzählte auch sie mir von diesem besonderen Dönerladen und plötzlich erinnerte ich mich an einen sehr gewöhnungsbedürftigen, äußerlich leicht angeschlagenen Würfelkiosk neben dem immer extrem schmuddeligen U-Bahneingang Mehringdamm, an dem immer eine schier endlose Schlange junger Kreuzberger steht, als gäbe es was umsonst. Als ich das nächste Mal über den Mehringdamm in die aufgeräumte Stadtmitte fuhr, merkte ich mir den Namen und suchte im Internet nach MUSTAFA’S GEMÜSEDÖNER
Begeistert von der lustigen Seite *krass lecker* schaute mir auch die Clips bei Youtube an, glaubte der dortigen Döner-Werbung 🙂 und dann wusste ich: DA MUSS ICH HIN! Ich stand damals 47 min in der Schlage, bestellte mir einen Dürum mit Knoblauchsauce und will nun nie wieder einen anderen Döner!
Es ist unbeschreiblich: wir stehen immer zwischen 30 und 90 min an, selbst bei minus 14°C reißt die Schlange nicht ab. Sie reicht eigentlich immer bis zum BKA Eingang.
Wenn sie kürzer ist, hast Du Glück, wenn sie sich mit dem Ende der Schlage der Currywurstbude trifft, brauchst Du richtig Geduld, hast aber die Chance, dass sich ein paar Leute vor Dir nach 30 min verabschieden und Du schneller an der Reihe bist. Die Typen die gehen, sind IMMER Erstbesucher, die sich einfach nicht vorstellen können, was ihnen entgeht. Ich verstehe das ja, sie haben nicht soviel Zeit, wie wir Berliner. Ich empfehle allen, die Mustafa’s testen wollen, es vormittags zu versuchen. obwohl ich persönlich vor 15 Uhr keinen Döner konsumieren möchte 😉
Die Kebapwartegemeinschaft an sich ist eine tolle Studie der Bewohner des Planeten Erde, denn es sind durchaus nicht nur Kreuzberger, wie ich früher vermutete: DIE GANZE WELT steht dort an! Jeden Tag, zu jeder Zeit, bei jedem Wetter. Spanische, französische, russische und polnische Zungen hörte ich bei meinem letzten Besuch vorgestern in meiner unmittelbaren Nähe. Meist sind es junge Leute zwischen 20 und 30, selten Einzelpersonen, meist Familien, Grüppchen oder Paare. Man kommt schnell ins Gespräch, der Flirtfaktor ist allerdings gering, dazu gibt es zu wenig Singles. Es gibt eine Bank, auf dieser saß ich das erste Mal für das Foto 😉 – man steht lieber beharrlich an!
Ja, ich habe das Foto sehr aufgehellt, die Ecke dort ist eher unbunt: grau, düster die Häuser und der Bürgersteig nicht sehr sauber – die vielen Menschen dort hinterlassen einfach jede Menge Dreck. Die Vorbeifahrenden auf Rädern oder in den Autos drehen lange die Köpfe. Die Vorbeilaufenden wundern sich kopfschüttelnd, fragen nach, was es hier wohl gäbe und gehen dann ungläubig weiter. Dieses Phänomen ist schwer zu erklären, man muss den Döner gekostet haben!
Ich versuche trotzdem eine Beschreibung: Es ist Hähnchenfleisch vom Drehspiess, ordentlich kross, die geschnittenen Stückchen werden mit frittiertem Gemüse vermischt. Das Gemüse (Zucchini, Paprika, Kartoffeln und etc.) bekommt nach dem Ölbad einige Spitzer von einem flüssigen „geheimem“ Spezialgewürz. Auf diesen Mix kommt der übliche Salatmix aus roten Zwiebeln, Gurken, Tomaten und Kräutern (Kerbel und Minze schmecke ich heraus), das nächste Topping ist feinkrümeliger Schafskäse und darüber noch einen Spitzer Zitronensaft und darunter (also auf das Brot oder den Dürümfladen) sind die Soßen. 3 stehen zur Auswahl: Kräuter- oder Knoblauchsoße oder die rote scharfe Mischung. Was hier so unspektakulär klingt ist in der Gesamtheit einfach nur lecker!
Liegt es wirklich nur am Kebap oder vielleicht doch auch an der Warterei und dem Kult um diesen Dönerstand? Natürlich hat man nach der langen Ansteherei ordentlich Hunger! Und die Glücklichen, die ihr Essen schon in der Hand halten oder herzhaft hineinbeissen, schüren den eigenen Appetit.
Ich rede mir immer ein, daß ich bei einem Besuch in einem guten Restaurant auch soviel Zeit mitbringen müsste, die ich zugegebenermaßen dann doch angenehmer verbringen würde, als mit dem Beine-in-den-leeren-Bauch-stehen. Trotzdem bin ich wohl monatlich dort! Statt genervter Kellner die den Wein nicht nachschenken, gibt es eifrige Flaschensammler, statt weißer Tischtücher gibt es schmuddelige Blechtische – aber immerhin mit Deko!
Die 2 – 4 Herren im Kioks arbeiten ohne Unterlass, schnell und mit gleichbleiben Qualität, wie kleine Döner-Robots! Sie singen die türkischen Weisen mit, die blechern aus den Boxen dudeln oder machen Scherze, sind trotz den tagtäglichen Massenandrangs freundlich und geduldig, denn nicht jeder Neusüchtige weiss gleich, was er will, wenn er endlich an der Reihe ist.
Wenn ich Besuch aus der Provinz habe, die Mustafa’s Bude noch nicht kennen, ist es schon fast Pflicht, die Gäste auf einen Döner einzuladen! Man hat dann ja genug zu bereden und die Zeit verfliegt. Wenn ich aus der Stadt komme und für das Abendbrot noch nichts geplant habe, fahre ich manchmal extra daran vorbei, schätze die Länge der Schlange ab und wenn es passt gibt es für mich noch einen zweiten limitierenden Faktor namens Parkplatz – für ALLE jedoch gilt, auf jeden Fall die Dönerspießdicke zu beachten!
Mir ist es bisher einmal passiert, daß sich meine Wartezeit schlagartig verlängerte. Ich stand 30 min an, hatte noch 20 Leute vor mir, dann war der Spieß alle. Sofort kommt ein neuer, aber der braucht dann ca. 30 min Hitze, ehe das Fleisch wieder geschnitten werden kann. Die Schlange verkürzt sich zwar um die Vegetarier, die trotzdem bedient werden können, aber ich schaue jetzt immer erst auf den Spieß, bevor ich mich einreihe. Etwas frustrierend ist die eine Minute am Schlangenende, aber bisher kam wirklich IMMER nach spätestens 60 Sekunden der nächste Mitwartende.
Übrigens: keiner wundert sich, wenn rund um den Stand Foto gemacht werden. Facebook ist voller Schlangenbilder. Immerzu zückt jemand sein Handy. Leute die warten und Leute die vorübergehen sind gleichermaßen fasziniert von der geduldigen Warterei auf den leckersten Döner der Stadt!
Ich sage damit aber natürlich nix gegen die Institution Würstchenbude nebenan! Curry 36 gehört für mich – neben den 3 großen K: Krasselt, Konnopke, Ku’damm 195 – zu meinen Kultcurrywurstständen der Stadt!
Naaaaaaaa – hat jetzt etwa jemand Hunger???