Morgen ist der letzte Tag der David Bowie Ausstellung – schade, gerne hätte ich mich angeboten, nochmal mitzugehen, jemanden zu begleiten. Es gab sicher viel Sehenswertes und Hörenswertes, das ich bei der ersten Runde im Martin-Gropius-Bau verpasst habe.

Aber morgen wird zugesperrt, endgültig. Berlin hat ja schon eine 14 tägige Verlängerung herausgeschlagen.

 
Die Ausstellung wurde von Engländern für England konzipiert, für Berlin wurde alles übersetzt und die Interviews untertitelt und Bowies Berliner Jahre bekamen mehr Raum. Die Location ist super gut gewählt, der Martin-Gropius-Bau ist weitläufig, ein großartiges, vielseitiges Gebäude, das zudem extrem touristenfreundlich liegt, mauernah und gut zu erreichen. Wir haben auch die S-Bahn bis zum PotsPlatz genommen, denn Parkplätze sind zu jeder Zeit rar und mit dem ÖPNV bin ich selbst aus der Vorstadtprovinz in 15 min da.
Also los – am Anfang der Tresen mit den heute unvermeidlichen Audioguides. Ich bin kein Freund von diesen Dingern. Ich lasse mir weder im Museum noch bei Ikea vorschreiben, welchen Weg ich zu gehen habe. In diesem Fall aber folge ich dem Rat derer, die es besser wissen, denn ich sehe schon im ersten Raum ein paar Leute zappeln…das wird an der Musike liegen. Und richtig: David kommt einem sofort voll auf die Ohren und das ist gut so. Die Ausstellung ist wirklich perfekt dafür gemacht. Man betritt einen Raum, eine Vitrine, ein Objekt und hört ihn, sieht ihn, schwelgt in der Musik oder zappelt mit den anderen.
Es beginnt ganz am Anfang: Vater, Mutter, Kind, Halbbruder, erstes Instrument, erste Bands, Auftritte, Plakate, Künstlername. David mit der Frisur des frühen Elvis IN BLOND. Ich schmeiss mich weg. Zu dem Poster der Konrads wird erklärt, dass David es war, der die Idee hatte, den Schriftzug in THE KON-RADS zu ändern. Einfach für ein bissel mehr Aufmerksamkeit. Er macht sich schon früh Gedanken um viel mehr als „nur“ Musik und Text. 
Er bestimmt die Outfits der Truppe, malt sich auch mal selber schwarze Streifen auf das erste grüne Jacket. Die YEAH YEAH Musik kommt von Lissys Insel sogar zu uns auf das Festland, Die Beatles und die Stones treten an, auf und werden berühmt. Davids Haare werden länger und er gründet im zarten Alter von 17 Jahren (1964) den „Verein zum Schutz der Männer mit langen Haaren“, weil er die ständigen Anmachen satt hat.
Er ist ein Exot damals – und er wird es bleiben. Alleine der Blick! Seine Augen sind übrigens nicht zweifarbig, er hat seit einer Schul-Prügelei einen Schaden an der Pupille, sie zieht sich nicht mehr zusammen, das macht den Unterschied aus.
1969 Space Oddity und Major Tom, ich wusste nicht, dass die BBC diesen Titel unter die Bilder zur live Übertragung des Mondfluges von Apollo 11 legte. Damit startet David erstmals durch in die Charts – hoch bis auf Platz 5. Er ist etwas besonderes, ein Vorreiter für so vieles, er spielt mit den eingefahrenen Geschlechterrollen, viele Schwule vergöttern ihn. Er schockt (gerne), auch mit seiner Bisexualität, läßt sich einfach nicht einordnen, schminkt sich, lackiert sich die Nägel, trägt Teile seiner Bühnenoutfits auch im „Alltag“ (Schuhe, Coulottes) inspiriert andere Künstler und lässt sich selbst inspirieren durch die Mode und berühmte Modemacher von Kansai Yamamoto bis Hedi Slimane, der als Kind von Bowies Garderobe total begeistert war!
Ich habe sie nicht gezählt, aber sicher mehr als 50 Bühnenautfits sind zu sehen. Nicht auf Fotos, da sind es weit mehr, sondern auf Puppen, echt vor meiner Nase, zum Teil mit den passenden Schuhen, im Hintergrund meist mit Konzertausschnitten untermalt oder von den Videos begleitet. Zum Beispiel das Pierrot-Kostüm mit Hut aus dem „Ashes to Ashes“ Video von 1980. Ich starre ergriffen darauf.


In einem kleinen Raum ist ein Plattenstudio nachgebaut, inklusive der schallschluckenden Wandverkleidung. So ein super Feeling dort. Seine ganzen Albencover wurden an die Wand gepinnt.

Am liebsten möchte ich sie abnehmen, sie herumdrehen, auf die Tracklisten schauen. Das fehlt mir gerade irgendwie. Und dann staune ich, denn genau eine Station später ist auch das möglich – alle Cover sind da, stehen in einem Fach wie dazumal im Plattenladen und werden auch kräftig begrabbelt. Ich freue mich, dass auch „meine“ Ausgaben dabei sind, ich habe bisher kein Vinyl weggegeben, auch wenn ich inzwischen einiges auf CD habe.

Wie soll man das Aussergewöhnliche und die Etappen dieses Künstlers beschreiben? Muss man es überhaupt? Wer das hier liest, weiß doch sicher, was los ist, weil er spätestens seit den 70er Bowie selbst verfolgt hat.
David fängt nicht nur einmal wieder von vorne an, mein immer schaffte er sich einen Nullpunkt und startet neu durch. Das schockt die Kritiker, enttäuscht manchmal die Fans, die meist lieber die ollen Kamellen hören wollen, aber er schafft immer etwas, was noch nie dagewesen ist. Und findet immer offene Ohren, die ihn verstehen und ihm folgen. Ja, Drogen spielen in seinem Leben auch eine große Rolle, in der Ausstellung aber nicht.
Einen weiten Platz hier in Berlin haben natürlich seine zwei Berliner Jahre: er kam 1976 in die Stadt, um die Drogen hinter sich zu lassen, begann wieder zu malen. Einige Werke sind in diesem Raum ausgestellt. Ich kannte sie vorher nicht und wundere mich darüber. Es gibt Hausansichten aus der Hauptstrasse in Schöneberg, wo er wohnte. Sogar sein Schlüsselbund in einem Glaskasten. Fotos mit Iggy Pop, mit dem er zusammen wohnte und dessen Freundin viele Fotos der beiden gemacht hat. Und es gibt dazu natürlich HELDEN auf die Ohren, in der deutschen Version. Sooft und so lange ich will. Oh, ich liebe das und bekomme die nächste Gänsehaut.
Ein großer Raum mit vielen Sitzmöglichkeiten für die Besucher wird an jeder Seite mit einer anderen Videoinstallation oder Konzertausschnitt wandgroß angestrahlt. Je nachdem an welcher Stelle ich im Raum stehe, bekomme ich den passenden Ton. Ich kann mich im Raum frei bewegen und das hören und sehen, auf das ich Lust habe. Auf hier wieder viele viele Bühnenkostüme auf Puppen auf Augenhöhe oder in der Wand – dem Konzertgeschehen angepasst. Ich bin echt begeistert, hier stimmt für mich einfach alles.
Ich mochte und mag bis heute sein Duett „Dancing in the Street“ Mick Jagger und seit dem Video wollte ich übrigens einen beigen einen Trenchcoat haben und natürlich habe ich die Single im Schrank. Eingemauert in Ostberlin wusste ich 1987 ganz genau, wer wann beim „Concert for Berlin“ vor dem Reichstag spielt. David neben Genesis und den Eurythmics und ich hörte bei gutem Wind wenigstens die Bässe. Nach dem Tod von Freddie Mercury hockte ich lange vor dem TV-Gerät und wartete auf Davids „Under Pressure“ Performance mit Annie Lennox. Die ja – ähnlich wie David – auch gerne mal extrem androgyn auftrat, inklusive auffälliger Gesichtsbemalung 🙂
Und dann geht es schon dem Ende entgegen. Weitere Interviews, Musikbeispiele, andere Künstler reden über David, zollen ihm Anerkennung und ich muss ihn nun machen, den Schritt zum heute – denn eigentlich hätte nur noch gefehlt, dass David im letzten Raum auf mich wartet, um mir meine offenen Fragen zu beantworten…hat er aber nicht…ich habe aber trotzdem etwas bekommen, was ihm gehört und was die ganze Ausstellung labelte: seinen roten Blitz im Gesicht. Es stand von audi eine echt geniale Fotobox + Gesichtsblitz for free herum: grins-blitzfürsfoto-blitzfürsgesicht-email.

Meine E-Mail mit dem Foto kam nie an. Zum Glück hatte mir das boxbetreuende Fräulein gesagt, dass mein Foto gleich auf dem Monitor nebenan erscheinen würde und ich posierte rasch neben meinem Abbild und dann für Euch nochmal neben David. Es geht aber heute definitiv hier NICHT um mein Outfit! 
Leider muss ich Euch sagen, dass das Fotografieren in der gesamten Ausstellung verboten war. Vielleicht gut so, sonst hätte ich es vor lauter Knipserei nicht so sehr genossen. Natürlich habe ich ein paar mehr schlecht als rechte Spy-Pics geschossen. Zum Beispiel von den originalen Briefen von David und Marlene. Sie spielten ja beide 1978 in dem Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ mit, ohne sich je am Set getroffen zu haben. Das ist bekannt und ich kannte auch Marlenes Sicht der Dinge, die sie in teilweise bitterbösen Worten beschrieben hat. Schön nun zu lesen, mit welchem Schmalz sie sich im Nachgang schrieben, um ein Treffen zu vereinbaren, das nie stattgefunden hat.
Das war’s meine lieben Leser – ein kleiner Einblick in ein großes Künstlerleben. Das nächste Mal, wenn es etwas interessantes in Berlin zu betrachten gibt, warte ich nicht wieder, bis kurz vor Schluß, ich wäre nämlich wirklich gerne nochmal hingegangen…nun ja, die Show zieht ja weiter in andere Städte, vielleicht ergibt es sich nochmal.

Ich musste heute mit Blogsy auf dem iPad bloggen, das tat ich lange nicht mehr, so sieht es nun auch aus, wenn der PC wieder läuft, gehe ich nochmal drüber…tut mir echt leid, aber mit der Technik habe ich es nicht so.